Ein Paradies auf Zeit?

Rebecca Großmann

In Folge des Sündenfalls treten Adam und Eva durch ein Felsentor in eine wilde stürmische Landschaft und lassen die paradiesische Schönheit des Garten Eden hinter sich.

Ist sich der Mensch seines eigenen Paradieses Erde bewusst oder ist er auf dem Weg sich aus diesem zu vertreiben?

Der US-amerikanische Maler Thomas Cole stellt in seinem Werk Vertreibung aus dem Garten Eden nach christlicher Tradition die Folge des Sündenfalls dar. Eine weitläufige, bildeinnehmende Landschaft, in die Adam und Eva lediglich als winzige Bildfiguren eingebettet sind, wird bei Cole zum Hauptakteur und durch seine dualistische Bildkomposition in zwei antithetische Bildbereiche gegliedert.

Der Garten Eden ist in ein warmes, helles Licht gehüllt, die Flora gedeiht in den unterschiedlichsten Farben und die Tiere leben in einem harmonischen friedlichen Miteinander. Im starken Kontrast dazu steht die linke Bildhälfte, in welcher ein Vulkanausbruch die Übermacht der Natur demonstriert. Die Wasserfälle sind reißende Fluten, der Himmel ist bedrohlich dunkel, der Wind peitscht und die zerklüftete schroffe Landschaft wird höchstens durch einen Wolf, dem Symbol der Wildnis, bevölkert.

Bei Cole steht der Sturm einerseits für die ungebändigte Kraft der Natur, die im Kontrast zur menschlichen Schwäche steht, andererseits aber auch für eine menschliche Eigenschaft, nämlich die zerstörerische Kraft (zum Beispiel während eines Krieges). Ferner ist die karge Felslandschaft eine Metapher für die christliche Auffassung vom steinigen Lebensweg.

Der Idylle im Paradies und der Wildnis im irdischen Bereich werden zwei Lebensbereiche zuteil. Die Wildnis steht für den Beginn des menschlichen Lebens und die damit einhergehende Vorstellung vom steinigen Lebensweg. Das Paradies hingegen stellt im christlichen Kontext das zu erstrebende Leben und den Endzustand dar; aber auch den verlorenen Urzustand der Identität von Mensch und Natur.

Werkdaten

Thomas Cole, Vertreibung aus dem Garten Eden, 1827-28, Öl auf Leinwand, 100,96 x 138,43 cm, Boston, Museum of Fine Arts, Inv. Nr. 47.1188.

Thomas Cole, Der Garten Eden, 1828, Öl auf Leinwand, 97,8 x 133,9 cm, Amon Carter Museum of American Art Fort Worth, Inv.-Nr. 1990.10.

Das Schlaraffenland-Paradox

Pieter Bruegel d. Ä., Das Schlaraffenland, 1567, Öl auf Eichenholz, 51,5 x 78,3 cm, München, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 8940.

Schon seit der Antike existiert die Vorstellung eines irdischen Paradieses für Schlemmer und Faulpelze, die bis ins 20. Jahrhundert reicht: das Land der Schlaraffen (auch: Schluraffen-, Schlaeraffenland, Sluraffenlant = Land der gedankenlos lebenden Müßiggänger). Dieser utopische Ort verspricht ein sorgenloses Leben in Wohlstand und Fülle, das jegliche Genüsse aller Art bereithält, Faulheit belohnt und Fleiß bestraft.

In Bruegels Schlaraffenland liegen drei Männer unterschiedlichen Standes (Soldat, Bauer, Gelehrter) um einen Baum gruppiert auf dem Boden. Ein kreisförmiger, reich gedeckter Tisch, ein Dach aus fladenartigen Pfannkuchen und ein aus Würsten geflochtener Zaun zeigen, dass in diesem kulinarischen Paradies Essen im Überfluss vorhanden ist. Die einzige Anstrengung, die der Mensch für den Eintritt ins Schlaraffenland unternehmen muss, ist sich durch einen herankriechenden Brei zu kämpfen.

Zur schier grenzenlosen Menge an Nahrung gesellt sich in diesem Traumland außerdem das Nichtstun bzw. Faulenzen. Kein Jagen, keine Feldbewirtschaftung und keine Sorgen mehr, wie man sich oder seine Familie ernähren soll. Alle Bemühungen, die mit der Nahrungsversorgung zusammenhängen gehören der Vergangenheit an. Die Bäume sind bestückt mit allerlei Leckereien, gebratene Vögel fliegen durch die Luft und stürzen sich einem in den geöffneten Mund und bereits gekochte Fische schwimmen absichtlich in Ufernähe, sodass man sie nur noch aus dem Wasser pflücken muss. Es ist also keinesfalls verwunderlich, dass sich in Bruegels Schlaraffenland ein gebratenes Huhn von selbst auf den Teller legt, sich ein aufgeschlagenes Ei auf lurchartigen Beinen verzehrfertig anbietet und selbst die Architektur essbar ist.

In der Vorstellung vom Schlaraffenland existiert also eine endlose Lebensmittelverfügbarkeit. Heutzutage weiß man, dass ein konsumorientierter Lebensstil das Klima anheizt, Natur verbraucht und Auswirkungen auf unseren Planeten hat. Bereits in der Antike kritisierte man Luxus, forderte die Menschen dazu auf, einen genügsamen Lebensstil an den Tag zu legen und die eigenen Bedürfnisse zu kontrollieren.

Doch kaum ruft man dazu auf, etwas an der eigenen Lebensführung zu ändern, tritt oftmals ein Widerstand auf, es kommt zum Schlaraffenland-Paradox. Der Mensch fühlt sich besserwisserisch belehrt, nimmt eine abwehrende Stellung ein, sobald er den Eindruck hat, dass man ihm beispielsweise das Auto oder das Fleisch wegnehmen will. Eine nachhaltige Entwicklung, die an die Individualmoral appelliert, kommt an ihre Grenzen und es scheint ganz so, dass hier der Bruch eines implizierten Schlaraffenlandvertrags stattfindet. Dabei stellen Klimaschutz und Nachhaltigkeit wichtige Themen unserer Zeit dar, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Doch was passiert, wenn wir unsere Lebensweise egoistisch (weiter-)verfolgen? Findet damit eine wiederholte Vertreibung aus dem Paradies statt?

Es ist an der Zeit sich zu fragen:

Wie soll mein Verhältnis zur Natur aussehen und was bin ich bereit dafür zu geben?

Die Erde ermöglicht uns Menschen das Leben, doch wenn es ihr nicht gut geht, wie soll es dann den Menschen gut gehen?

Wann wird die Menschheit erkennen, dass sie hier auf Erden in einem Paradies auf Zeit lebt, sollten wir nichts ändern wollen?

Literatur

Gerda Breuer: Landschaft und Geschichte. Zur Genese nationaler Metaphorik in der amerikanischen Landschaftsmalerei des frühen 19. Jahrhunderts am Beispiel Thomas Cole (1801­-1848) (Diss. Aachen 1981), Aachen 1981, S. 94f., 132–134, 139, 155.

Rüdiger an der Heiden: Pieter Bruegel der Ältere. Das Schlaraffenland und der Studienkopf einer Bäuerin in der Alten Pinakothek, München 1985, S. 8, 16.

Sybille Heidenreich: Wunschlandschaften. Bilder vom guten Leben und die Utopie der Nachhaltigkeit, Würzburg 2019, S. 42–49.

Herman Pleij: Der Traum vom Schlaraffenland. Mittelalterliche Phantasien vom vollkommenen Leben, Frankfurt a. M. 2000, S. 419.