Der Kaiser im Wintergewand
Martin Scherbakov
Aus einem knorpeligen Baumstamm wird ein Brustbild eines Mannes: Vor fast 500 Jahren malte Arcimboldo seine Allegorie des Winters und widmete sie Maximilian II. Aber wie genau machte der Künstler den Kaiser zum Beherrscher der Jahreszeiten?
Der 1526 in Mailand geborene Giuseppe Arcimboldo strebte nach einer Anstellung am kaiserlichen Hof – damals die Spitze der Karriereleiter eines Künstlers. 1563 malte er einen höchst eigenartigen Zyklus aus vier Bildern, die vier Jahreszeiten. Entstanden sind vier Brustbilder, zusammengesetzt aus Blumen, Früchten oder auch einem Baumstamm. Giovanni Battista Fonteo, ein mit Arcimboldo befreundeter Dichter, verfasste dazu ein Gedicht, worin sich die einzelnen Jahreszeiten miteinander unterhalten und den Herrscher lobpreisen. Arcimboldo schickte den Zyklus samt Gedicht an den habsburgischen Kaiserhof in Prag. Mit Erfolg: 1570 wurde er zum Hofkünstler ernannt.
Unter den vier Jahreszeiten kam dem Winter eine besondere Rolle zuteil, denn es handelte sich um ein allegorisches Porträt des Kaisers persönlich. Verschlungenes Geäst bildet das struppige Haar, aus dem Moos werden Bartstoppeln, den Mund bilden zwei Baumschwämme, das Auge ist ein Riss in der Baumrinde. Ins Strohhemd eingeflochten ist der Buchstabe M: Ein Monogramm des Herrschers. Warum aber war Maximilian so geschmeichelt gerade als ein knorpeliger alter Baumstumpf abgebildet zu werden?
Den Verlauf eines Jahres verglich man mit einem Menschenleben. So ist bei Arcimboldo der Frühling ein Jüngling, der Sommer ein Edelmann, der Herbst ein wohlgenährter Herr und der Winter ein Greis. Letzterer stand symbolisch auch für die Weisheit am Ende des Lebens, so wie Maximilian sich gern als einen weisen Herrscher sah.
Im alten Rom stand der Winter am Anfang eines Jahres, also quasi dessen Kopf. Somit war also Maximilian der Kopf des Jahres, der Beherrscher der Jahreszeiten und seine Hauptstadt Prag das neue Caput mundi, der Kopf der Welt, wie einst Rom in der Antike. Und der sich immer wieder von vorne wiederholende Verlauf des Jahres symbolisierte somit die immerwährende Herrschaft der Habsburger. Wie passend dazu der Efeu, eine immergrüne Pflanze, die vom Fortleben der Dynastie kündigt.
Zusammen mit dem Zyklus der vier Jahreszeiten schenkte Arcimboldo dem Kaiser auch einen Zyklus der vier Elemente, wobei jeder Jahreszeit jeweils ein Element gegenüberstand. Somit war Maximilian also nicht nur der Beherrscher der Jahreszeiten, sondern auch der Elemente. Arcimboldos Bilderzyklen sind vor allem eines: eine Allegorie der universellen Macht des Kaisers und der Harmonie, für die er als Herrscher sorgte.

Grunddaten zum Werk
Giuseppe Arcimboldo, Der Winter, 1563, Öl auf Lindenholz, 66,6 x 50,5 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. Gemäldegalerie 1590.
Das Monogramm
Man muss sehr genau auf das Bild schauen, um das in den Strohmantel eingeflochtene M zu erkennen: Es befindet sich ganz am unteren linken Rand des Gemäldes und ist auch nur zur Hälfte zu sehen. Um die Anspielung auf Kaiser Maximilian zu unterstreichen, integrierte Arcimboldo ein weiteres Symbol in seine Darstellung: Ein Feuereisen, welches mit ebengleichen zusammengesetzt die Kette vom Orden des Goldenen Vlieses bildet – dem Hausorden der Habsburger. Maximilian wusste all dies hoch zu schätzen: Er hing die Bilder in seinem Schlafzimmer auf, damals ein Zeichen höchster Anerkennung.
Die Zitrone
Auch die beiden Zitrusfrüchte können als eine Anspielung auf Maximilian betrachtet werden: Der Kaiser war ein großer Pflanzenfreund, in seinen Orangerien in Prag könnte er auch Orangen und Zitronen angebaut haben. Der Mailänder Arcimboldo aber kannte die Agrumen aus seiner Heimat – wo sie ja gerade in den Wintermonaten richtig reif werden, aber oft noch bis in den Frühling hinein in den Bäumen hängen bleiben. Damit verweisen die beiden Früchte bereits auf den kommenden Frühling und den Sommer und somit den ewigen Kreislauf der Jahreszeiten.
Der Baumstumpf
Während in den anderen Jahreszeitenbildern die Porträts aus zusammengesetzten Früchten oder Blumen entstehen, formte Arcimboldo den Winter aus einem einzigen Baumstumpf. Nehmen Elemente der Natur menschliche Eigenschaften an, spricht man vom Anthropomorphismus, also einer Vermenschlichung. Die Entstehung der beiden Zyklen fällt in die Zeit des Manierismus, in der sich Künstler durch immer ausgefallenere Formen und bizarre Kompositionen zu übertrumpfen versuchten. Arcimboldos Bildnisse waren aber derart eigenartig, dass Maximilian ihn später mehrere Kopien anfertigen ließ, welche er an befreundete Adelshöfe in Europa verschenkte.
Im Profil
Das Profilbildnis auf schwarzem Grund war besonders im Mailand des späten 15. Jahrhunderts die bevorzugte Porträtform, die Großen und Mächtigen, wie etwa die Herzöge von Sforza, ließen sich so abbilden. Arcimboldo knüpft in seinen Bildnissen an ebendiese Tradition an, die ebenfalls einen Rückgriff auf die Antike darstellt. Im alten Rom wurde auf den Münzen stets das Porträt des Kaisers geprägt und zwar immer im Profil. Maximilian dürfte es besonders geschmeichelt haben, denn er sah sich selbst als der Nachfolger der antiken Kaiser als Herrscher über das Heilige Römische Reich.
Literatur
Thomas Dacosta Kaufmann: Arcimboldo – Visual Jokes, Natural History, and Still-Life Painting, Chicago 2009.
Ausst.-Kat. Wien, Kunsthistorisches Museum: Arcimboldo 1526 – 1593, hg. v. Sylvia Ferino-Pagden, Wien 2008.
Norbert Wolf: Giuseppe Arcimboldo – Wunderliche Gesichter, München 2008.